Protection of Biotech-Inventions in Germany

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Eigene Veröffentlichungen als Patenthindernis
 
Identität einer prioritätsbeanspruchenden Patentanmeldung mit der prioritätsbegründenden Patentanmeldung

 
1) Wesen der Priorität.
 
Wenn eine Erfindung zur Erteilung eines Patents angemeldet wird, so wird mit Einreichung der Patentanmeldung eine Priorität begründet (prioritätsbegründende Anmeldung; im folgenden: Erstanmeldung). Die Wirkung dieser Priorität besteht darin, daß für eine spätere Patentanmeldung (prioritätsbeanspruchende Anmeldung; im folgenden: Nachanmeldung) der Anmeldetag bzw. die Priorität der Erstanmeldung in Anspruch genommen werden kann, sofern die Nachanmeldung innerhalb von 12 Monaten ab Anmeldetag der Erstanmeldung eingereicht wird. Die Priorität kann für eine nationale Anmeldung, eine europäische Anmeldung oder eine internationale Anmeldung und praktisch weltweit in Anspruch genommen werden. Die Nachanmeldung(en) muß (müssen) also nicht in dem Land eingereicht werden, in dem die Erstanmeldung eingereicht worden ist.
 
Die Prioritätsbeanspruchung ist insofern von Bedeutung, als Veröffentlichungen Dritter oder des Erfinders nach der Erstanmeldung, jedoch vor der Nachanmeldung zumindest dann nicht patenthindernd im Wege stehen, wenn beide Anmeldungen inhaltsgleich sind.
 
2) Probleme fehlender Inhaltsgleichheit.
 
Im Prioritätsintervall stellt sich nun aufgrund fortschreitender Erkenntnisse des Erfinders oder einer besseren Kenntnis des relevanten Stands der Technik oft heraus, daß die Erfindung mit einer Nachanmeldung angemessener definiert werden sollte. In derartigen Fällen kann für den Inhalt der Nachanmeldung mehr als eine Priorität bzw. mehr als ein Zeitrang relevant sein, und zwar
 
  die Priorität der Voranmeldung, soweit Erstanmeldung und Nachanmeldung inhaltsgleich sind, und
  der Anmeldetag der Nachanmeldung für all das, was im Vergleich zur Erstanmeldung neu hinzugekommen ist (Überschuß).

Für nationale deutsche Patentanmeldungen und für europäische Patentanmeldungen ist neuerdings davon auszugehen, daß die Priorität der Voranmeldung nur dann anerkannt wird, wenn die Erstanmeldung und die Nachanmeldung inhaltsgleich sind; vgl. G2/98 in ABl 2001, 413 und BGH XZR 168/98. Die einschneidende Bedeutung dieser Praxis wird dann erkennbar, wenn der Erfinder seine Erfindung im Prioritätsintervall etwa durch eine Veröffentlichung oder einen Vortrag der Öffentlichkeit zugänglich macht. Ist die Nachanmeldung mit der Erstanmeldung nicht inhaltsgleich, so ist die Veröffentlichung des Erfinders relevanter Stand der Technik für die Nachanmeldung. Das bedeutet, daß die Priorität der Erstanmeldung für einen eventuellen Überschuß der späteren Anmeldung nicht wirksam in Anspruch genommen werden kann, so daß die Veröffentlichung des Erfinders diesem Überschuß patenthindernd im Wege steht. Lediglich zwei Ausnahmen sind denkbar.
 
(I)   Der Überschuß der Nachanmeldung ist gegenüber der Veröffentlichung des Erfinders nicht nur neu, sondern für sich erfinderisch.
(II)   Der Überschuß der Nachanmeldung stellt gegenüber der Lehre der Erstanmeldung lediglich eine Abwandlung dar, die sich für einen Fachmann am Anmeldetage der Erstanmeldung mit der Kenntnis von Handbüchern (nicht jedoch von Einzelveröffentlichungen, wie etwa Patentschriften) beim Lesen der Voranmeldung als Selbstverständlichkeit dargetan hätte.

Für jede andere Abwandlung bzw. für jeden anderen Überschuß der Nachanmeldung über die Erstanmeldung muß damit gerechnet werden, daß eine Veröffentlichung, die der Erfinder im Prioritätsintervall vorgenommen hat, der Nachanmeldung patenthindernd im Wege steht. Sollte also ein Erfinder den Inhalt einer Erstanmeldung innerhalb von 12 Monaten nach ihrem Anmeldetage veröffentlichen, so dürfte regelmäßig kaum sicherzustellen sein, daß bis zum Ablauf des Prioritätsjahres ein eventueller Überschuß mit Hilfe einer Nachanmeldung derart beschrieben und offenbart werden kann, daß er für sich gegenüber der Vorveröffentlichung des Erfinders erfinderisch ist.
 
Als Konsequenz ist dringend davon abzuraten, den Inhalt von Erstanmeldungen im Prioritätsintervall zu veröffentlichen, sofern eine angemessenere Beschreibung der Erfindung mit Hilfe einer Nachanmeldung im Verlauf der folgenden 12 Monate nicht ausgeschlossen werden kann.